Motivation ist gleichsam ein Fluch und ein Segen. Die Rede von der Motivation lenkte seinerzeit den pädagogisch-diagnostischen Blick wieder vermehrt in die Richtung der handelnden Schüler*innen mit ihren Interessen, Motiven und Zielsetzungen. Im selben Atemzug wurden Lehrer*innen für die motivationale Lage der Schüler*innen verantwortlich gemacht. „Sagen Sie mal, die Klasse wirkte aber wenig interessiert. Was hätten Sie denn machen können, um die Schüler*innen mehr zu motivieren?“


So ähnlich klangen meist die geflügelten Worte in der Ausbilung der Lehrer*innen. Tatsächlich habe ich mal eine gestandene Kollegin erlebt, die ihre Klasse nach einer Stunde ernsthaft fragte: "Habe ich euch nicht genug motiviert?".

 

Moderne Motivationstheorien haben nicht mehr viel gemeinsam mit den als „Möhrentheorien“ bezeichneten Ansätzen der ersten Stunde. Es geht nicht mehr nur um die Frage, was ich dem Esel vor die Nase halte, damit er läuft. Motivation meint im engeren Sinne zunächst den Prozess, in dem sich ein Handlungswunsch abzeichnet. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Trotz grundlegend vergleichbarer Prozesskomponenten kann sich die Motivation verschiedener Fächer voneinander unterscheiden. Schüler*innen mit einer hohen Motivation in Chemie müssen nicht mit gleicher Begeisterung zum Sport gehen. Die Motivation musikbezogenen Handelns ist eine bereichsspezifische Form der Motivation.

 

Wir kennen alle Situationen, die uns kaum fordern und in denen wir uns schnell für eine Handlung entscheiden können. Situationen können einfach sein oder eine Herausforderung an die Person darstellen. In unserer Theorie der Motivation musikalischen Handelns unterscheiden wir einmal eine (von der Lehrperson) gestaltete Lernsituation, die durch gute Aufbereitung das Handeln erleichtern kann. Auf der anderen Seite bringen Schüler*innen aufgrund ihrer Erfahrungen und Kompetenzen bestimmte Erwartungen an eine Situation mit. Diese Erwartungen tragen entscheidend dazu bei, ob den Schüler*innen eine Lernsituation leicht fällt und sie handeln oder nicht.

 

Stellen wir uns eine Musikstunde vor, in der Papagenos Arie „Der Vogelfänger bin ich ja“ erarbeitet wird. Die Erwartung der Schüler*innen (Selbstwirksamkeit) hängt zunächst davon ab, ob ihnen in der Situation ausreichend Handlungen zur Verfügung stehen. Kann er den Text? Kann er die Melodie? Wie steht es überhaupt mit dem Singen? Lehrer*innen können hier schon eine motivierende Situation schaffen, wenn ausreichendes Handlungsrepertoire angebahnt wurde.

 

Die Schüler*innen wollen nun nicht nur irgendwie handeln, sondern das auch noch möglichst gut bzw. wirkungsvoll (Kontrollüberzeugung). Singe ich richtig und treffe ich die Töne? Bin ich im Rhythmus? Lehrer*innen können durch erreichbare Lernziele und die Vermittlung effektiver Handlungsstrategien eine motivierende Situation schaffen.

 

Schüler*innen mit einer Neigung zu Externaler Handlungshemmung führen Störungen oder Probleme im Handlungsprozess auf äußere Umstände zurück. Bei der schlechten Luft kann ich nicht singen. Die Anderen sind so laut, da kann ich mich gar nicht konzentrieren. Eine motivierende Umgebung sollte hier vor allem potentielle Störungen minimieren.

 

Die Motivation der Schüler*innen hängt in hohem Maße von deren Zielorientierung ab. Sind den Schüler*innen die Folgen des Handelns wichtig? Der Musikunterricht bietet sich an, den Schüler*innen durch geeignete Vorhaben oder sogar Projekte eine motivierende Perspektive in Aussicht zu stellen. Angefangen von der Rollenverteilung der jeweiligen Stücke und Parts bis zur Aufführung ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, attraktive Ziele in Aussicht zu stellen.

 

Das genannte Motivationsmodell hat sich in ersten empirischen Studien bereits bewährt (vgl. Forschung). Motivation musikbezogenen Handelns ist eine wesentliche Bedingung, ob Lernhandeln im Musikunterricht überhaupt in Gang kommt. Allerdings lässt sich das motivierte Handeln und Lernen letztlich nicht erzwingen. Das ist auch sicher gut so.