Es gibt keine Kulturen ohne Musik. Musik ist ein originärer Ausdruck menschlicher Kultur. Eng damit verbunden ist auch die Vorstellung der Musik als Sprache. Lange Zeit ging man davon aus, dass das natürliche Sprachvermögen den Menschen als Krone der Schöpfung ausweist. Diese Annahme ist widerlegt, da Kommunikation auch im Tierreich stattfindet. Musik lässt sich bislang nur überzeugend beim Menschen nachweisen. Vielleicht liegt darin einer der Gründe, warum uns die Metapher von der Musik als universeller Sprache bislang noch so sympathisch ist.


Musik ist keine Sprache im eigentlichen Sinne, keine Sprache in einer Funktion erster Ordnung. Welche Rolle hat dann die natürliche Sprache im Zusammenhang mit Musik? Wir sprechen in Fachtermini, aber auch alltagssprachlich über Musik. Das Musikerleben, Musiklernen und Musiklehren ist in hohem Maße mit dem Sprechen über Musik verbunden. In Sprache konstruieren wir „Musik“ als ein Objekt der Rede. Das Denken über Musik findet in Sprache statt.

 

Die Objektebene musikalischer Wirklichkeit meint das Denken über Musik. Dieses ist in Sprache verfasst und vielfältig mit Kultur verwoben. Kultur wird beschrieben als eine Art Programm (cultural programming), was im Hintergrund auf der Grundlage kollektiven Wissens- und Situationsdefinitionen abläuft. Dabei handelt es sich um implizit wirksame Verhaltensstandards. Man weiß, was in einer Situation erwartet wird (z. B. zum Konzert geht man nicht in der Badehose), auch wenn das nirgends geschrieben steht. Und man weiß auch, dass man mit diesem Wissen nicht alleine ist. Vordergründig erfahrbar wird Musik als Kulturphänomen durch soziale Praxen und Symbole in der Kommunikation sozialer Gruppierungen, die ein Klangereignis schließlich als „Musik“ bestätigen. Musik ist demnach eine soziale Konstruktion. Ermöglicht wird das durch ein sprachbasiertes Denken über Musik, wodurch Musik überhaupt erst als „Objekt“ wahrnehmbar und kommunizierbar wird.