Musik nehmen wir als Teil unserer akustischen Umwelt wahr. Typisch für unsere Hörwahrnehmung ist eine Zuschreibung von Ursachen. Musik erklingt, weil sie aus dem Radio kommt. Wenn ich in ein Konzert gehe, werde ich (hoffentlich) etwas Musikalisches zu hören bekommen. Das Kausalitätsprinzip und die scheinbare „Realitätsgewissheit“ im Moment der Wahrnehmung sind für uns überlebensnotwendig. Wir könnten nicht handeln, wenn wir alles immer in Frage stellen würden.


Diesem Vorteil steht der Nachteil gegenüber, das Phänomenale der Musik tatsächlich der Umwelt zuzuschreiben. Gehen Musikpädagog*innen davon aus, dass das Gehörte für alle Beteiligten naturgemäß das Gleiche ist, sind Konflikte meist vorprogrammiert. Warum hört der das denn nicht? Ich habe ihm das doch jetzt dreimal vorgespielt.

 

Gibt es sowas wie eine objektiv vorhandene „Realität“ der Musik, manifestiert durch Schallwellen?

 

Einzelne Wissenschaftsdisziplinen liefern zumeist nur begrenzte Antworten. Neuere Einsichten bietet der konstruktivistische Diskurs von Neurobiologie, Philosophie und Psychologie (um nur einige Disziplinen zu nennen). Was wir erkennen, was wir hören, ist demnach immer eine Frage der Wahrnehmung. Es gibt nichts Beobachtetes ohne Beobachter*in. Schallwellen sind noch nicht Musik. Sie tragen dazu bei, das Gehirn anzuregen und zu pertubieren. Musik gibt es so gesehen nur, indem sie als Musik von einem Hörer konstruiert wird.

 

Die Materialebene der musikalischen Wirklichkeit meint die Reizgrundlagen der Musik. Schallwellen tragen zu einer Situation bei, in der wir unser Musikerlebnis ursächlich der Umwelt zuschreiben können. Die Materialebene ist damit eine wichtige Komponente musikalischer Wirklichkeit, aber sie ist nicht die Ebene, auf der sich das Phänomenale der Musik verorten lässt.