Die junge Celloschülerin wurde immer frustrierter. Sie bekam den Rhythmus des Stücks einfach nicht hin, obwohl ihr Lehrer bereits mehrfach die Stelle vorgespielt hatte. Dabei spielte sie es doch fast genau so wie er, oder etwa nicht?

Musiklernen fängt mit der Wahrnehmung an, also mit dem Beobachten von Unterschieden. Anders gesagt, geht es um einen Vergleich zwischen einem Soll-Wert und einem Ist-Wert.

 


Wie soll die Stelle klingen, wenn ich sie spiele (Lernziel)? Wie klingt die Stelle derzeit, wenn ich sie spiele (Lernstand)? Beobachtete Unterschiede signalisieren einen Lernbedarf. Das heißt aber auch, dass sich der Lernbedarf nicht von selbst einstellt. Unterscheidungen sind eine Folge des aktiven Beobachtens und Erkennens. Um Änderungen herbeizuführen und um das Lernziel zu erreichen, muss ich etwas tun. Lernen erfordert Handeln.

 

Handeln meint Verhaltensweisen, denen ein Ziel unterstellt werden kann. Dazu zählen also keine Aktivitäten, die einem lediglich widerfahren sind. Rutschen mir die Noten versehentlich vom Pult (Verhalten) oder ist das die gekonnte Umsetzung einer abgefahrenen Performance (Handeln)? Handeln ist also eine Frage, wie wir ein Tun beobachten und welches Ziel dazu angenommen wird. Handeln ist ein Beobachterkonstrukt.

 

Komplexe Handlungen, wie etwa eine Übesitzung, bestehen aus jeder Menge kleinerer Teilhandlungen. Zur Beschreibung des musikbezogenen Handelns haben sich bestimmte Handlungsphasen bewährt. Wir unterscheiden die Phasen der Zielsetzung (Was übe ich?), Planung (Wie gehe ich vor?), Erprobung (Wie lerne ich die Stelle?), Ausführung (Wie festige ich das Gelernte?) und im Hinblick auf den Musikunterricht außerdem die Evaluation (Wie bewerte ich den Lernprozess?). Der Wechsel von einer Handlungsphase zur nächsten basiert auf den genannten Vergleichen von Ist-Soll-Werten. Diese signalisieren potentiellen Handlungsbedarf. Ob nun eine neue Handlung oder Handlungsphasen tatsächlich in Gang kommen, hängt wiederum von der Motivation der Akteure oder den entsprechenden motivationalen Bedingungen ab. Motivation ist somit ein integraler Bestandteil musikalischen Lernens und Handelns.

 

Die Motivation unserer jungen Celloschülerin konnte ihr Lehrer übrigens mittels einer Audioaufnahme stärken. Gerade jüngeren Musikern (und nicht nur denen) fällt es oft schwer, sich beim Instrumentalspiel auf den produzierten Klang zu konzentrieren. Eine Audioaufnahme kann dabei hilfreich sein. Vorausgesetzt, man hat den ersten Schock überwunden.